Dreizehnter Auftritt

[428] Die Vorigen, ohne Zangler.


WEINBERL wonnetrunken und stolz sich mit einer Hand am Tische stützend. Associé! – Hast du's gehört, Gremium von Europa! ich bin Associé![428]

CHRISTOPH. Unser Herr heirat, Sie wer'n Kompagnon, nachher haben wir zwei Prinzipal, eine Prinzipalin, und ich allein bin der ganze Personalstand.

WEINBERL. Buchhalter, das war immer der Chimborasso meiner Wünsche, und jetzt blickt der Associé wie aus einem Wolkenthron mitleidig auf den Buchhalterstandpunkt herab.

CHRISTOPH. Ich mach' meine Gratulation.

WEINBERL. Und sonderbar! gerad' jetzt – jetzt –

CHRISTOPH. Jetzt sind Sie's ja noch nicht, erst wann der Prinzipal heirat.

WEINBERL. Gerade jetzt, wo das Berufsglück sein ganzes Füllhorn ausschütt über mich, werden in mir Wünsche roglich wie Kisten, die auf einem Schubkarren schlecht aufpackt sind.

CHRISTOPH. Aha! ich g'spann, was der Associé wünscht –

WEINBERL. Eine Associéin? O nein! Das irritiert mich nicht, so was kommt von selbst, und wenn es nicht kommt, so is es auch noch kein Unglück.

CHRISTOPH. Also das is es nicht? No nachher gib ich 's Raten auf; mein Kopf is von der Lehrzeit her zu sehr angegriffen, als daß ich mir'n jetzt gleich zerbrechen möcht.

WEINBERL. Glauben Sie mir junger Mann! Der Kommis hat auch Stunden, wo er sich auf ein Zuckerfaß lahnt, und in süße Träumereien versinkt; da fallt es ihm dann wie ein Fünfundzwanzig-Pfund-Gewicht aufs Herz, daß er von Jugend auf ans G'wölb gefesselt war, wie ein Blassel an die Hütten. Wenn man nur aus unkompletten Makulaturbüchern etwas vom Weltleben weiß, wenn man den Sonnenaufgang nur vom Bodenfenster, die Abendröte nur aus Erzählungen der Kundschaften kennt, da bleibt eine Leere im Innern, die alle Ölfässer des Südens, alle Heringfässer des Nordens nicht ausfüllen, eine Abgeschmacktheit, die alle Muskatblüt Indiens nicht würzen kann.

CHRISTOPH. Das wird jetzt ein anders G'sicht kriegen als Kompagnon.[429]

WEINBERL. Weiß nicht. Der Diener ist Sklav des Herrn, der Herr Sklav des Geschäfts. Erhaben ist die zweite Sklaverei, aber so biglem mit Genuß begabt als wie die erste. – Wenn ich nur einen wiffen Punkt wüßt, in meinem Leben, wenn ich nur von ein paar Tag sagen könnt', da bin ich ein verfluchter Kerl gewesen – aber nein! ich war nie verfluchter Kerl. Wie schön wär' das, wenn ich einmal als alter Handelsherr mit die andern alten Handelsherren beim jungen Wein sitz', wenn so im traulichen Gespräch das Eis aufg'hackt wird vor dem Magazin der Erinnerung, wann die G'wölbtür der Vorzeit wieder aufg'sperrt, und die Budel der Phantasie voll ang'raumt wird mit Waren von ehmals, wenn ich dann beim lebhaften Ausverkauf alter Geschichten sagen könnt: Oh! ich war auch einmal ein verfluchter Kerl! ein Teuxelsmensch – ein Schwerack – ich muß – ich muß um jeden Preis dieses Verfluchtekerlbewußtsein mir erringen.

CHRISTOPH. Von mir aus hätten Sie dieses Bewußtsein schon lange; sooft Sie sich in meine Frisur verkrampelt haben, hab' ich mir denkt: das is ein verfluchter Kerl, den holt –

WEINBERL. Was Sie denken, geht mich nix an, ich muß es denken, muß es fühlen.

CHRISTOPH. So beuteln S' Ihnen selber den Schopf.

WEINBERL von einer Idee ergriffen. Halt! ich hab's!

CHRISTOPH. No, was denn?

WEINBERL. Ich mach' mir einen Jux.

CHRISTOPH. Ein Jux?

WEINBERL. Grad jetzt auf der Grenze zwischen Knechtschaft und Herrschaft mach' ich mir einen Jux. Für die ganze Zukunft will ich mir die kahlen Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung schmücken – ich mach' mir einen Jux.

CHRISTOPH. Wie wer'n Sie aber das anstellen?

WEINBERL. Woll'n Sie dabei sein Mussi Christoph?

CHRISTOPH. Warum nicht? Ich bin freig'sprochen word'n, kann man die Freiheit schöner als durch einen Jux zelebrieren?[430]

WEINBERL. Wir sperrn 's G'wölb zu, während der Prinzipal aus ist, sind Sie dabei?

CHRISTOPH. 's G'wölbzusperrn war immer meine Leidenschaft, solang ich bei der Handlung bin.

WEINBERL. Wir fahren in die Stadt, und suchen fidele Abenteuer auf, sind Sie dabei?

CHRISTOPH. Freilich! ich riskier' nix. Sie sind Kompagnon; indem ich Ihnen folg', erfüll' ich nur meine Pflicht, jetzt, was Sie riskieren, das tuschiert mich nicht. Ich bin dabei.

WEINBERL. Halt! Jüngling! Sie setzen mir da einen Floh ins Ohr, den ich erst fangen und töten muß. Kann es der Prinzipal erfahren? Er kommt nie mit die Nachbarsleut zusamm, er sitzt immer in der Schreibstube, diskriert nie mit die Kundschaften, geht an keinen öffentlichen Ort, außer alle Quartal zu der Schützengesellschaft – er kann es nicht erfahren –

CHRISTOPH. Wenn uns aber zufällig der Prinzipal in der Stadt sieht?

WEINBERL. Er is ein alter Herr, der heirat, folglich mit Blindheit g'schlagen. Und wissen wir denn auch, ob er in die Stadt fahrt? Und dann geht er auch Geschäften, wir bloß dem Vergnügen nach; sein Weg geht tschihi, unserer dahott, wie die Seeleute sagen, sprich ich, wie die Fuhrleute sagen.

CHRISTOPH. Wenn uns aber die Fräuln Marie verrat.

WEINBERL. Die hat Liebsaffären, is folglich froh, wann sie nicht verraten wird.

CHRISTOPH. Wann aber die alte Gertrud plauscht?

WEINBERL. Das Hindernis is unübersteiglich, sie is ein altes Weib, sie muß plauschen. – Aber wenn wir – halt – so geht's – die Alte muß gerade die Assekuranz sein bei unserer Unternehmung. Helfen Sie mir geschwind in den Herrn seine Schützenuniform hinein.


Kleidet sich während dem Folgenden schnell mit Christophs Beihilfe in die auf dem Tische liegende alte Schützenuniform Zanglers, schnallt den Hirschfänger um, und setzt den Hut auf.


CHRISTOPH. Wegen was denn?[431]

WEINBERL. Weil ich den Herrn Zangler vorstellen will; damit s' die Stimme nicht kennt, stell' ich mich bös, und Sie sagen ihr den Auftrag, den ich als Zangler geb', und den sie dann an mich ausrichten muß, wenn ich wieder Weinberl bin.

CHRISTOPH. Ich bin mir nicht g'scheit g'nug.

WEINBERL. Stellen Sie 's Licht auf den Tisch hinüber!

CHRISTOPH. Gleich. Nimmt eilig das Licht vom Tische links und stellt es auf den Tisch rechts.


Weinberl wirft sich in den am Tische links stehenden Stuhl, und läutet heftig mit der Tischglocke.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 428-432.
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